✒ [Rezi] Der Ruf des Henkers | Björn Springorum

Björn Springorum | Gebunden 14,99€ | 352 Seiten | Thienemann Verlag | In mein Regal!

England, Mitte des 19. Jahrhunderts
Unfreiwillig gerät Richard Winters in die Hände des berüchtigsten Henkers von ganz England. An der Seite von William Calcraft führt er fortan das finstere Leben eines Henkerslehrlings. Rasch merkt er, dass sein strenger Meister ein Geheimnis verbirgt, das seine Welt für immer aus den Angeln heben wird. Richard muss beweisen, dass er dieser Aufgabe gewachsen ist. Doch als er in London ausgerechnet seine große Liebe wiedertrifft, steht urplötzlich noch viel mehr auf dem Spiel …

Eine Legende, die zur Wirklichkeit wird…

 


Ich gebe es ja zu, es war ein Covergriff! Bis ich mir den Kurztext durchgelesen habe. Immerhin spielt die Geschichte in London und beinhaltet – wie jeder Leser in einer Bemerkung des Buches erfährt – ein klein wenig Wahrheit über eine gewisse Person. Hätte ich das früher gewusst, wäre ich mit einer ganz anderen Stimmung an das Buch herangegangen. Und das passiert mir ausgerechnet bei diesem Griff, da ich sonst doch meistens neugierig hinten reinlins. Jetzt erscheint es mir jedenfalls ein wenig unheimlich, das zu wissen.

Die Kulisse ist hervorragend beschrieben. Das dieselige, stets nasse Wetter, die Leute, die damalige Technik, über die Eisenbahn bis zu den Zeitungen. Das 19. Jahrhundert hat so einige Mysterien und Wunder zu bieten. Charakter haben diese Welt und Zeit jedenfalls. Allerdings finde ich die Geschichte um eine der Personen zu vorhersehbar. Immer wieder gibt es kleine Hinweise, welche wohl nicht zu genau sein sollen, meine Alarmglocken aber schon zu Anfang des Buches aufklingeln ließen. Und genau dieses Wissen des Verlaufes wegen gab mir eher einen eintönigen Eindruck der Handlung. Die Kapitel vergingen ziemlich normal. Erst nach knapp einhundert Seiten änderte sich etwas abrupt.

Ortswechsel. Jetzt werden nicht mehr nur die kleineren, armen Orte in England besucht, sondern das heiß herbeigesehnte London! Und mit dieser beliebten Großstadt kommen auch neue Charaktere hinzu. Die Juden Rose und Benjamin verleihen der düsteren Stimmung, sowie dem Elendviertel Whitechapel eine Heimeligkeit, die ich mir in Gegenwart des Henkers vorher nicht hätte vorstellen können. Das Gasthaus Golden Rose wird zum zentralen, festen Punkt und vielleicht hat genau das einfach gefehlt während des ruhelosen Umherstreifens.

Abwechselnd findet die Erzählung nun aus Sicht von Richard Winters, William Calcraft und den Tagebucheinträgen von Rose statt. Es gibt Hetzjagden durch die dunklen Gassen der Hauptstadt, Erfolge und Niederlagen. Einmal scheint die Hoffnung verloren. Bündnis, Freundschaften und Vertrauen zerbrechen aufgrund einer scheinbaren Lüge. Ob die richtigen Entscheidungen getroffen wurden? Schon vor zwei Jahren fragte sich der Henker das, als er ein Mädchen vor dem Galgentod rettete und Richard als Lehrling zu sich nahm.

 

Der Ruf des Henkers erklang auch in meinen Ohren und lockte mich in das damalige London. Mit schaurig magischen Momenten konnte mich der Autor an manchen Stellen sehr überraschen, doch das Hauptziel blieb leider nicht lange verborgen. Die Nebensächlichkeiten sind es tatsächlich, welche dem Buch die gewisse Atmosphäre geben. Wer eine düstere Geschichte mit einer Liebesangelegenheit erwartet, dem sei gesagt, dass noch viel mehr dahinter steckt, als ein normaler Job des Gesetzes. Nicht nur die Aufmachung ist einen Blick wert. Wer sich im Gasthaus der freundlichen Juden wohl fühlt, hat den richtigen Griff gemacht.

 

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